Cardiolotse nimmt Herzpatienten an die Hand
Bilge Kilincsoy ist gelernte Arzthelferin und Diabetesassistentin – und seit Anfang des Jahres Cardiolotsin am Vivantes-Klinikum Standort Wenckebach. Ihre Aufgabe ist es, AOK-Nordost-Versicherte mit einer chronischen Herzerkrankung nach dem Krankenhausaufenthalt intensiv zu betreuen. Damit ist sie eine von elf Cardiolotsinnen und -lotsen, die im Rahmen des gleichnamigen Innovationsfondsprojektes von AOK Nordost und Vivantes rund 2000 Herz-Patienten betreuen sollen. Die Effekte des Betreuungsprogramms werden von der Ludwig-Maximilians-Universität München evaluiert. Ist das Konzept erfolgreich, könnte sich daraus ein eigenständiges Berufsbild eines Patientenlotsen entwickeln, das auch bei anderen chronischen Erkrankungen zum Einsatz kommt.
Patienten sollen zu souveränem Umgang mit ihrer Erkrankung befähigt werden
„Zentrale Aufgabe der Cardiolotsen ist es, die Patienten persönlich und für diese gut verständlich in allen Belangen und zu allen Fragen rund um ihre Erkrankung aufzuklären und zu beraten“, sagte Daniela Teichert, designierte Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, bei der Vorstellung des Projektes vor Journalisten in Berlin. Das sei aus Sicht der Gesundheitskasse elementar, damit Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit der Krankheit abgebaut werden können und die Patienten langfristig zu einem souveränen Umgang mit ihrer Erkrankung befähigt werden.
Wenn es nach Bilge Kilincsoy ginge, sollte am besten heute schon jeder Herzpatient eine persönliche Betreuung an die Seite bekommen. Sie ist von ganzem Herzen Cardiolotsin. Und die Patienten danken es ihr. Eine ältere Dame habe angefangen, vor Rührung zu weinen, als sie sie das erste Mal telefonisch kontaktiert habe, so Kilincsoy.
„Einige sind noch unter Schock und erst einmal gar nicht offen"
„Wenn ich die Menschen im Krankenhaus anspreche und ihnen den Inhalt des Projektes erkläre, sind die Reaktionen zunächst sehr unterschiedlich“, erzählt sie. Man dürfe ja auch nicht vergessen, in welcher Situation sich diese Patienten befinden. „Einige sind noch unter Schock und erst einmal gar nicht offen.“ Diese Patienten lässt sie dann auch erst einmal in Ruhe und wartet auf einen Zeitpunkt, wo sie aufgeschlossener sind. Zum Beispiel, wenn dann Angehörige dabei sind. „Es gehört viel Feingefühl zu dem Job“, sagt Kilincsoy.
Was auf jeden Fall auch wichtig sei: Cardiolotsen müssen die Sprache ihrer Patienten sprechen. Sie habe zum Beispiel mal einen älteren Mann davon überzeugen wollen, mit dem Rauchen aufzuhören. Und gerade unter den älteren Männern seien häufiger mal unmotivierte Nein-Sager mit dem Motto: ‚Ich weiß das alles schon und besser als andere.' „Die muss man ganz speziell begeistern, indem man die richtigen Worte findet“, sagt Kilincsoy. „Dem Patienten habe ich zum Beispiel erklärt, dass er seinen Körper wie ein Auto betrachten soll. Und das Herz ist der Motor. Wenn an seinem Auto der Motor kaputtgeht, würde er den ja auch reparieren. Der hat mich mit großen Augen angeschaut und gesagt: ‚So habe ich das noch nie betrachtet.'“ Der Patient hat sich dann von Bilge Kilincsoy auch tatsächlich Tipps geben lassen, wo er Angebote zur Rauchentwöhnung findet.
Was sie an ihrem Job am meisten mag? „Ich liebe Menschen. Und Menschen in so einer sensiblen Situation ganz nah zu betreuen, ist etwas Besonderes.“